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Unternehmensbericht Ausblick

2023: Zahlreiche Impulsgeber für den Biotechsektor vorhanden

Der technologische Fortschritt ist die Basis für die Transformation vieler Indikationsgebiete, wobei insbesondere mRNA, siRNA und ASO-basierte Medikamente eine bedeutende Rolle zukommt. Ebenfalls stehen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate oder Gentherapien im Zentrum des Interesses, bei denen wichtige Entwicklungsschritte erwartet werden. Nicht zuletzt dürften die M&A-Aktivitäten nehmen und vermehrt Partnerschaften zu beobachten sein.

Höhere Kapitalkosten werden zur neuen Realität

Die Produkte von Biotechunternehmen durchlaufen einen umfassenden Entwicklungsprozess. Er umfasst jahrelange Kapitalinvestitionen, zunächst in die technologische Ausrüstung sowie die Forschung und Auswahl des gewünschten Wirkstoffs und später in deren langjährige klinische Entwicklung. Nach der Zulassung eines Medikaments bedarf es eines kapitalintensiven Geschäftsmodells, um es zu lancieren. Nach dessen erfolgreicher Markteinführung vergehen weitere zwei bis drei Jahre, bis das Präparat Gewinne abwirft. Medikamentenentwickler müssen sich somit auf eine jahrelange Durststrecke und in vielen Fällen auf zahlreiche Zwischenfinanzierungen bis zur Rentabilität eines Arzneimittels einstellen. Damit aber nicht genug: Zusätzlich erschwert wird das Ganze noch durch das aktuelle Kapitalmarktumfeld und einen US-Leitzins von 4.5% per Ende 2022. Das impliziert, dass die erwarteten Kapitalrenditen gestiegen sind und somit höhere Abzinsungssätze für die Diskontierung künftiger Cashflows angewandt werden, die in der Summe den Nettobarwert ergeben.

Da die Handlungsfreiheit vieler Unternehmen durch diese heftigen Zinserhöhungen stark eingeschränkt ist, passt sich die Branche schrittweise an die neue Realität an. So besinnen sich hochrangige Vertreter von führenden F&E- und Technologieunternehmen wieder auf die Gründung von Partnerschaften mit grösseren, rentablen und gut kapitalisierten Biotechnologie- und Pharmafirmen.

Die Gespräche mit Managementteams drehen sich in Anbetracht eines solchen Umfelds immer häufiger um Geschäftsmodelle und verfügbare Anpassungsmöglichkeiten – oder Alternativen. Die Führungskräfte der meisten Unternehmen berücksichtigen in ihren langjährigen Planungen höhere Kapitalkosten, obwohl in den letzten Quartalen mehr Firmen mit überwiegend starker Gewinngenerierung übernommen wurden und eine deutliche Beschleunigung bei Lizenzverträgen zu verzeichnen war. Unternehmen greifen immer häufiger auf hybride Modelle zurück, wobei sie Partnerschaften für einige Produkte eingehen, aber andere Produkte in Eigenregie entwickeln und vermarkten, was vor allem für Unternehmen mit Plattformtechnologien gilt. Unternehmen, die nur über ein einzelnes Produkt verfügen, können zwar weiterhin durchaus erfolgreich auf dem Markt bestehen, aber angesichts ihres stetigen Kapitalbedarfs leicht Opfer einer rückläufigen Bewertung werden.

Technologischer Fortschritt als Basis für die Transformation vieler Indikationsgebiete

mRNA-Impfstoffe haben sich während der Pandemie bewährt, sowohl hinsichtlich Wirksamkeit und Markteinführungszeit als auch in Bezug auf die Skalierung ihrer Produktionskapazitäten. Aber auch die jüngsten Phase-III-Daten zu Modernas RSV-Vakzin sind äusserst vielversprechend und können sich mit den Studienergebnissen der besten und neusten sonstigen vergleichbaren Impfstoffkandidaten messen. Ähnlich wird es sich in Zukunft voraussichtlich bei Grippeimpfstoffen verhalten. mRNA-Vakzine dürften gegenüber analogen Pendants eine gleichwertige Wirksamkeit und das Potenzial für eine künftige iterative Überlegenheit aufweisen, indem die inhärenten Vorteile der Technologie zur Erweiterung der Valenz von Antigenen und der Stammabdeckung genutzt werden. In Anbetracht dessen und der schnelleren Stammauswahl und -anpassung an neue Varianten sowie der Kombinierbarkeit, die die Abdeckung der zwei bis drei grössten Märkte für Atemwegsviren mit einer einzigen Impfung ermöglicht, trauen wir mRNA-Impfstoffen beachtliche Marktanteilgewinne zu.

Zu den Technologieplattformen und Wirkstoffen, die eher klassische Marktzyklen durchlaufen – die also zunächst für seltene Krankheiten indiziert werden und in der nächsten Generation dann auch bei weiter verbreiteten Krankheiten zum Einsatz kommen –, gehören beispielsweise die RNA-basierten Wirkstoffe auf Grundlage von kleinen eingreifenden RNA (siRNA) und Antisense-Oligonukleotiden (ASO). Die entsprechenden Unternehmen (z.B. Alnylam oder Ionis) machen stetige Fortschritte, was sich am deutlichsten in den aktuellen und zukünftigen Produktangeboten zur Behandlung von Transthyretin-vermittelter Amyloidose widerspiegelt. Bei hgTTR-Patienten mit Polyneuropathie haben beide Unternehmen positive Ergebnisse ihrer Late-Stage-Versuche vorgelegt und die Wirkstoffe der zweiten Generation befinden sich in der Zulassungsphase oder wurden bereits zugelassen. Darüber hinaus befinden sich diese Wirkstoffe im Spätstadium der klinischen Entwicklung für den deutlich umfassenderen Anwendungsbereich der TTR-Kardiomyopathie. Versuchsergebnisse werden innerhalb der nächsten Jahre erwartet. Beide Unternehmen entwickeln siRNA- und ASO-basierte Medikamente für weitere grosse Patientenpopulationen, wie etwa für Patienten mit hohen Triglycerid- oder Lipidwerten oder anderen kardiovaskulären Risikofaktoren wie erhöhtem Lipoprotein (a), resistenter Hypertonie und komplexeren neurologischen Indikationen wie der Alzheimerkrankheit. Dass Medikamente auch für diese grösseren Patientengruppen geeignet sind, liegt an der deutlich verbesserten Technologie. Sie ermöglicht die bequemere Verabreichung von Arzneimitteln in grösseren Abständen und in niedrigeren Dosen, gewährleistet eine hohe Wirksamkeit sowie sehr gute Sicherheit und verursacht zudem nur wenige unerwünschte Ereignisse. Wir erwarten beachtliche Fortschritte und weitere Produktzulassungen im Jahr 2023 und darüber hinaus, da Patienten- und Umsatzpotenzial der Wirkstoffklasse kräftig steigen dürften.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate – erneut im Zentrum des onkologischen Interesses

Wie die Fortschritte bei neuen Wirkstoffformaten spielen auch die Antikörper-Wirkstoff-Konjugate im Bereich solider Tumore eine immer wichtigere Rolle. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die erfolgreiche Lancierung von ADC-Arzneimitteln durch Pharmariesen als Behandlungsoption für Brustkrebspatientinnen, die jüngsten Produktzulassungen ImmunoGens und die für die zweite Jahreshälfte 2023 erwarteten Ergebnisse klinischer Studien Mersanas. ADCs haben sich im Onkologiebereich zu einem echten Verkaufsschlager entwickelt, weil andere Ansätze zur Verbesserung der klinischen Ergebnisse von PD1/PDL1-Antikörpern bisher stets eine grosse Herausforderung darstellten. Erstere sind aber nicht wirklich neu auf dem Markt, denn sie werden bereits seit Jahrzehnten untersucht.

Wie die Fortschritte bei neuen Wirkstoffformaten spielen auch die Antikörper-Wirkstoff-Konjugate im Bereich solider Tumore eine immer wichtigere Rolle.

Macrogenics, Incyte und Exelixis sind Unternehmen im Portfolio von BB Biotech, die ADCs zur Behandlung unterschiedlicher solider Tumore entwickeln. Die Herausforderungen der Vergangenheit, wie zum Beispiel eine bessere Ausrichtung auf Tumore, eine gute Zuführung der Toxin-Nutzlast zu den Zellen und entweder die Aufnahme oder die proximale Abtötung werden durch neuartige Oberflächen-Targets, eine bessere Linker-Technologie und tumorspezifische Toxine adressiert. Dadurch öffnet sich ein breiteres therapeutisches Fenster und lassen sich bessere Behandlungsergebnisse erzielen. Da die Wurzeln der meisten Wirkstoffe in den Bemühungen der Krebsforschung liegen, dürften ADCs eine gute Option als Letztlinientherapie darstellen. Zudem punkteten sie in früheren Behandlungslinien für Krebspatienten durch ein gutes Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil, sodass sie für die Arzneimittelentwicklungsindustrie wahrscheinlich zu einem äusserst attraktiven Geschäftsfeld avancieren werden.

BB Biotech Investmentstrategie

Unsere Investmentstrategie sieht vor, Kapital in vielversprechende Technologieplattformen und aussichtsreiche Wirkstoffe in der frühen klinischen Phase zu investieren und die entsprechenden Firmen bei der klinischen Entwicklung, der behördlichen Zulassung, der Markteinführung und der Generierung von nachhaltigem Umsatz- und Gewinnwachstum zu begleiten, bis sie schliesslich zu reiferen Unternehmen herangewachsen sind. Am Ende dieses langfristig ausgelegten Anlagezyklus verkaufen wir unsere Beteiligung an den Unternehmen und investieren die Erlöse in neue verheissungsvolle Kandidaten. Kleinere und mittelgrosse Firmen bleiben auf diese Weise attraktive Lizenzpartner für Pharmariesen und grosskapitalisierte Biotechunternehmen, entweder durch Abschluss attraktiver Geschäftsentwicklungsvereinbarungen oder letztendlich durch Konsolidierung.

In-vivo-Gentherapien und erste Ex-vivo-Gentherapeutika kommen 2023 auf den Markt

Die fortschrittlichsten Plattformansätze in der Gentherapie und bei der Geneditierung halten langsam Einzug in das Gesundheitswesen. Therapien, die im Abstand von vielen Jahren oder sogar nur einmalig verabreicht werden, kommen Patienten mit monogenetischen Krankheiten entgegen, die eine hohe Krankheitslast darstellen und beachtliche Kosten für das Gesundheitssystem verursachen. In-vivo-Gentherapien zur Behandlung von Hämophilie stehen kurz vor der Markteinführung, solche zur Behandlung anderer Krankheiten, bei denen dysfunktionale Gene durch ein virales Trägersystem ersetzt werden können, befinden sich in der letzten klinischen Prüfungsphase. Unser Portfoliounternehmen Generation Bio arbeitet weiter an der Entwicklung einer virenfreien Verabreichungsform für ceDNA, die eventuell mehr Sicherheit und gegebenenfalls die Möglichkeit einer wiederholten Verabreichung bietet. Wir erwarten Fortschritte und weitere Updates im Verlauf von 2023. Von elementarem Interesse für BB Biotechs Investmentteam sind zunächst Ex-vivo-Gentherapeutika wie etwa CTX001, das von Crispr Therapeutics und seinem Entwicklungs- und Vermarktungspartner Vertex entwickelt wird. Zulassungsrelevante Entscheidungen von FDA und EMA werden Ende 2023 erwartet, gefolgt von der Markteinführung dieses einmaligen, funktionalen Heilmittels für Patienten mit Sichelzellkrankheit und Beta-Thalassämie. Im Rahmen zukunftsweisender Ansätze wird die In-vivo-Verabreichung des Geneditierungsenzyms und der erforderlichen genetischen Fragmente getestet, um eine Korrektur von Gendefekten oder -aberrationen zu erreichen. Unseres Erachtens ermöglicht die Vermeidung von Doppelstrangbrüchen der DNA in einem In-vivo-Umfeld neben dem Base Editing als eine weitere Iteration das Prime Editing. Wir halten unser Investment in Beam Therapeutics daher mit Blick auf Zugang zu nukleasefreien Ansätzen, deren Eigenschaften und das geistige Eigentum daran für besonders wichtig. Die Ungewissheit in Bezug auf Preisstrategien, aber insbesondere auf die Akzeptanz dieses neuartigen Konzepts und dieser bahnbrechenden Technologie durch die Patienten, bleibt bestehen und wird von Anlegern in den kommenden Jahren genau beobachtet und beurteilt werden. Interessanterweise werden die meisten Produkte in der klinischen Phase von kleineren und mittelgrossen Biotechnologieunternehmen entwickelt. Grössere Unternehmen schauen zunächst lediglich von der Seitenlinie aus zu. Steigen die Erfolgsaussichten dieser Produkte, versuchen grosse Unternehmen sich dann schliesslich durch teure Übernahmen Zugriff auf diese Präparate zu verschaffen.

Geschäftskonzepte und M&A-Aktivitäten im Wandel

Nach dem deutlichen Rückgang der M&A-Aktivitäten im Vergleich zum Spitzenjahr 2019 sind viele Pharmaunternehmen und Biotechriesen weiterhin in der Lage, kleinere und mittelgrosse Biotechfirmen zu übernehmen. Einigen Grossunternehmen stehen hohe Milliardenbeträge für M&As zur Verfügung, womit fast jedes unserer Portfoliounternehmen zu einem möglichen Übernahmekandidaten wird. Sollten kleine und mittelgrosse Unternehmen nach wie vor viel versprechende Medikamente und Plattformtechnologien entwickeln und attraktiv bewertet bleiben, dürften die M&A-Aktivitäten in unseren Augen anhalten und in den kommenden Jahren zunehmen. Hauptimpulsgeber für entsprechende Akquisitionen bleiben Patentklippen bei umsatzstarken und gewinnträchtigen Medikamenten vieler grosskapitalisierter Unternehmen. Es bleibt abzuwarten, wie sich grosse Biopharmakonzerne verhalten: Ziehen sie es vor, mit Unternehmen ähnlicher Grösse zu konsolidieren, um Synergien und Kosteneinsparungen zu realisieren, oder entscheiden sie sich für die Übernahme kleinerer und mittelgrosser Firmen, um die Bedrohung für ihr Umsatz- und Gewinnergebnis abzuwenden. Viele Grossunternehmen haben in den letzten Jahren zahlreiche Zukäufe getätigt, wobei sich eine neue Akquisitionswährung herauskristallisiert hat – sie bieten Aktien statt Cash. Die Bewertungen kleinerer und mittelgrosser Unternehmen stehen weiterhin unter Druck, wie die Tatsache zeigt, dass die acht grössten Indexschwergewichte im NBI eine höhere kumulierte Marktkapitalisierung ausweisen als die übrigen 265 Indexmitglieder.

Fokus der Gesundheitspolitik gilt der Implementierung des US Inflation Reduction Act (IRA)

Der Gesundheitssektor und mehr noch die Subsektoren der Arzneimittelentwicklung, also die Pharma- und Biotechbranche, waren schon immer von politischen Veränderungen in bedeutenden Märkten wie zum Beispiel den USA betroffen. Nachdem die US-Zwischenwahlen im November 2022 zu einer Spaltung des Kongresses geführt haben, wird dem im Sommer verabschiedeten Inflationsbekämpfungsgesetz (IRA) im Jahr 2023 wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil.

Unternehmen und Investoren werden aufmerksam verfolgen, wie das Gesetz implementiert wird und vor allem wann die erste Liste der von Preisnachlässen betroffenen Medikamente veröffentlicht wird und welche Arzneimittel auf dieser Liste aufgeführt werden. Alles in allem dürften kleinere Unternehmen, die neue Arzneimittel auf den Markt bringen, von zahlreichen Ausnahmeregelungen profitieren und voraussichtlich weniger betroffen sein als Pharmaunternehmen mit älteren Arzneimitteln, die für Medicare- und Medicaid-Patienten bestimmt sind.

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